REMLER, FERDINAND WILHELM (auch Remmler)


*28.10.1824 in Lübben (Spreewald), †06.02.1896 in Berlin
Vater: Johann Christian Remmler, Schuhmacher (Lübben)

 

Wilhelm Remler trat am 25. Juni 1839 in die Lehre des Lübbener Tischlermeisters Päprer ein und wurde am 19. April 1843 zum Gesellen gesprochen. Anschließend erwarb er innerhalb von 10 Jahren „in der Fremde“ umfassende Kenntnisse als Orgelbauer, bis er sich schließlich in Berlin niederließ, wo er ein eigenes Geschäft in der Kochstraße 25 gründete und 1851 sein erstes - für eine Missionsstation in Ostindien bestimmtes - Werk in der Königlichen Akademie der Künste ausstellte und bei dieser Gelegenheit vom König und dessen Gemahlin persönlich angesprochen wurde. - Remler entwickelte sich trotz schwierigster persönlicher und wirtschaftlicher Verhältnisse zu einem bedeutenden Berliner Orgelbauer des 19. Jahrhunderts, der zunächst allein und später zeitweise mit seinem Sohn (vorwiegend im märkischen Raum) zahlreiche grundsolide mechanische Schleifladenwerke erbaute und ein OEuvre von über 50 Werken hinterließ. Dabei bemühte er sich u.a. um technisch vorteilhafte, aber auch kostensparende Neuerungen für die Auftragnehmer, wozu u.a. der gelegentliche Einbau solistischer Harmoniumstimmen in Orgeln und zweier patentierter Erfindungen gehörten, worunter sich merkwürdigerweise ein bereits 20 Jahre früher von Carl Friedrich Baltzer (Frankfurt/Oder) vorgestelltes Aeolodicon befand, das dieser aber anscheinend nicht als Patent angemeldet hatte. Über Remlers Version liegt - die „Beschaffung eines kleinen Orgelwerkes für die Kirche zu Stremmen Amts Trebatsch betreffend“ - eine Beschreibung unbekannter Hand vor, welche die Randbemerkung „zu journalisieren“ enthält, also offenbar als Grundlage für einen künftigen Druck verwendet werden sollte:

Wilhelm Remler: Illustrierende Skizze zum Patent
Wilhelm Remler: Illustrierende Skizze zum Patent

„Berlin, am 4t. Februar 1855. (...) Dem hohen Auftrage zufolge habe ich mit dem Erfinder des patentierten Aeolodicons - Orgelbauer Remmler hierselbst, Kochstraße No: 25 wohnhaft, Rücksprache gehalten und beehre mich hierüber Nachstehendes gehorsamst zu berichten, mit Bezugnahme auf die beiliegende Handzeichnung welche nach einem Instrumente der Art skizziert ist. Seiner Aussage zufolge ist dieses Instrument starktönend genug den Gesang einer Kirchengemeinde von 400 Seelen zu dirigiren u. zu leiten. Die Claviatur aus 5 Octaven bestehend - von Contra F bis f’’’ - ist nach patentierter Einrichtung gebaut u. kann doppelt verstärkt werden. Der Balgen liegt unmittelbar unter der Claviatur u. wird von dem Organisten mit dirigirt, ein Pedal ist nicht vorhanden. Die Pfeifen werden durch Klappen gedeckt und durch die Hebel der Claviatur gehoben. Dies Instrument -Aeolodicon genannt - ist 4 (Fuß) lang, 2 (Fuß) 2 (Zoll) breit u. 3 ½ (Fuß) hoch, und erfordet einschließlich der Organistenbank einen Raum von etwa 4 ½ (Fuß) im Quadrat. Es wiegt nach Angabe 2 ½ bis 3 Centner, u. kann mithin auf jede Empore von gewöhnlicher Stabilitaet ohne weitere Verrichtungen (u.) Unterstützung aufgestellt werden wenn die Empore etwa 6 (Fuß) vor die Kirchenwand tritt, wobei alsdann noch ein Stand für einen Kirchensänger an der Emporbrüstung verbleibt. Da das Instrument nur 3 ½ (Fuß) hoch ist, so kann der Organist hinter dem Instrument, mit dem Gesicht nach der Kanzel gewendet, seinen Sitz nehmen u. ist er noch im Stande den Prediger auf der Kanzel zu sehen, (…) sitzt er mit dem Rücken der Kanzel zugewendet u. bedarf dann eines am Instrumente befestigten Spiegels, um den Pfarrer zu sehen. Für die Anfertigung eines solchen Aeolodicons - welches etwa die Form eines sogenannten (…) Schreibbüreaus (gemeint ist das Möbelstück „Sekretär“, d. Verf.) hat - mit Transport und Aufstellung desselben verlangt doch Remmler 110-120 rthlr., wofür er dann selbst Transport u. Aufstellung (…) übernehmen will. Der g. Remmler ist - wie schon gesagt - Erfinder dieses Instrumentes, ist auf 5 Jahre patentiert u. hat seiner Aussage zufolge bereits dergleichen nach dem Auslande geliefert. Soweit ich nach einem ziemlich fertigen Instrument der Art zu schließen vermag, erscheint diese Erfindung vollständig practicabel für Landkirchen. In 14 Tagen wird ge: Instrument ganz zum Spielen fertig u. behalte ich mir vor, alsdann über den ton. Umfang mein Urtheil event. abzugeben, nachdem ich solches gehört haben werde. Wie g. Remmler ferner bemerkte, ist er bisher vollauf mit Bestellungen bedacht worden. Das Instrument welches er gegenwärtig baut ist für die Schenkendorfer Kirche bestimmt. Effectuiert ein solches Instrument wie angegeben, so wäre damit die Aufgabe für ein Orgelwerk zu kleinen und mittleren Landkirchen vollständig gelöst.“ (Die Interpunktion wurde der besseren Lesbarkeit halber ergänzt.)


Zwei Jahre zuvor hatte sich Remler um die Patentierung einer Oktavkoppel bemüht und darüber seitens der Prüfer das folgende Votum erhalten: „Berlin, den 9. Mai 1853. (...) Betrifft das Patentgesuch des Orgelbauers W. Remler hieselbst wegen einer Octavkoppelung bei Orgeln. - Die Koppelvorrichtung, auf welche der hiesige Orgelbauer W. Remler unter Einsendung des mit den zugehörigen Anlagen beigehend zurück erfolgenden Modelles, ein Patent in Anspruch nimmt, hat zum Zweck, beim Spielen des Diskantes den Baß mittönen zu lassen, welches durch ein einfaches Seitwärtsdrücken eines Zuges mittelst des Kniees hervorgebracht wird. Die dazu dienende Vorrichtung lässt sich durch eine bloße Beschreibung nicht deutlich machen, weshalb wir im Allgemeinen nur Folgendes bemerken. Jede Taste der einen steht mit der gleichnamigen Taste der anderen Octave durch einen in zwei rechten Winkeln gebogenen und in Ösen drehbaren Eisendraht so in Verbindung, daß beim Niederdrücken der ersten Taste auch die zweite mit herabgezogen wird, sobald der Zug vorher in die rechte Stellung gebracht ist. Solange aber der Zug in seiner gewöhnlichen Stellung bleibt, sind die mit den Tasten der zweiten Octave verbundenen Enden jener Dräthe durch einen aufdrückenden Bügel verhindert, der abwärtsgehenden Bewegung der Dräthe zu folgen, so daß denn die Koppelung sich außer Wirksamkeit befindet. Denn die Dräthe geben in diesem Zustande dem Druck der gespielten Tasten vermöge ihrer (...) Elastizität zwar nach, ohne aber die gleichnamigen Tasten der anderen Octave mit herabziehen zu können, was erst geschehen kann, wenn durch Seitwärtsdrücken des Zuges zweier Bügel von den durch ihn festgehaltenen Drahtenden abgehoben wird. Diese Konstruction scheint sehr einfach und zweckmäßig zu sein, und da wir sie als bekannt nicht nachweisen können, so stellen wir gehorsamst anheim, das erbetene Patent auf eine durch ein Modell nachgewiesene Octav- Koppelung, deren Construction als neu und eigenthümlich anerkannt ist Hochgeneigtest ertheilen zu wollen.“


Das „Patent für den Orgelbauer Herrn W. Remler hieselbst auf eine Oktav-Kuppelung“ wurde im folgenden Monat unter der Nr. IV 6895 ausgestellt und hatte den folgenden Wortlaut:


„Mit allerhöchster Genehmigung Sr. Majestät des Königs ertheile ich dem Orgelbauer Herrn W. Remler hieselbst nach dessen Ansuchen hierdurch ein Patent auf eine durch ein Modell nachgewiesene Oktav-Kuppelung, deren Konstruktion als neu und eigenthümlich erkannt ist. Dieses Patent ist von heute an fünf nacheinander folgende Jahre für den ganzen Umfang des Preußischen Staats gültig. gg. Berlin, den 5t. Juni 1853. (L.S.) Der Minister für Handel. Gewerbe u. öffentliche Arbeit (gez.) von der Heydt.“


Labium-Archiv Berlin / BLHA Potsdam: Rep. 37 KW 1386 / Bergelt, Wolf (Hrsg.): Preußischer Orgelbau - Patente (Komplettdokumentation), Berlin 2012 / Bergelt, Wolf: Orgelreisen durch die Mark Brandenburg, Berlin 2016 (3. Auflage)